Heute bin ich hier (via onlinejournalismus.de) auf den Ausdruck „Ethik 2.0“ gestoßen. Eine zu euphorische Verwendung des Ausdrucks Web 2.0 ist ja sicherlich problematisch. Wie verhält es sich aber mit dem Ausdruck „Ethik 2.0“? Ist Ethik nicht etwas, das keines Updates bedarf, bzw. sogar gegen Updates geschützt werden müsste? Um einer Antwort auf die Spur zu kommen, muss etwas weiter ausgeholt werden:
Ethik ist eine besondere Denkform, nämlich eine reflektierende, eine nachdenkende, eine theoretische Denkform. Ethik ist eine Theorie der Moral.
Ethik verändert sich also, wenn Moral sich verändert. Von der Wortbedeutung her ist Moral ungefähr gleichsinnig mit dem Begriff der Sitte. Das verweist auf den Umstand, dass die Unterscheidung von gut und schlecht immer etwas mit dem allgemeinen Verständnis davon zu tun hat, was als gut und was als schlecht anzusehen ist. Die Moral, also das, was als ‚das Sittliche‘ begriffen wird, ist immer in Bewegung, wie die Gesellschaft mit ihren Institutionen und Organisationen auch.
Auf der Ebene universal gültiger moralischer Normen erkennen wir zwar sittliche Regeln, die für alle Situationen und Kontexte gelten (sollen). Moralische Konflikte spielen sich aber zumeist in je spezifischen (Alltags-)Situationen und Kontexten ab. Die Menschen erfahren normative Ansprüche an ihr Kommunizieren und Handeln in spezifischen Situationen; ihnen ist die Gestaltung des Lebens und die Bewältigung dieses Projektes konkret aufgegeben. Diese Situationen und Kontexte gilt es ethisch im Blick zu behalten (sonst würde man den ‚Kontakt‘ zum Gegenstand der Ethik verlieren), ohne dass dabei den Situationen und Kontexten eine moralisch begründende Funktion zuerkannt würde (sonst würde man den Ansprüch nicht aufrecht erhalten können, normativ zu argumentieren).
Die vorliegenden ‚Verhältnisse‘, die Lebensumstände, die gesellschaftliche Situation, die „gelebte Moral“
Wenn statt individueller Praxis eher die Gestaltung von sozialen Verhältnissen, Institutionen und Organisationen zur Debatte steht (wie etwa bei einer Sozialethik des Web 2.0), dann besteht auch hier die Anforderung, normative Vorstellungen und die damit arbeitende Sozialethik selbst im obigen Sinne veränderlich zu halten. So muss (muss!) die Sozialethik z.B. die spezifischen Bedeutungsgehalte von „sozialer Gerechtigkeit“ neuen sozialen Verhältnissen anpassen.
Insofern – und hier komme ich zum Ausdruck „Ethik 2.0“ zurück – ist Ethik updatefähig und -bedürftig. Vor allem da, wo sich ganz neue Verhältnisse und Möglichkeiten ergeben (social software, Bürgerjournalismus), ist die Arbeit am nächsten Release von „Ethik“ sinnvoll und notwendig. Klar sein muss aber, dass das nächste Update sofort wieder fällig sein wird.
One comment
[…] dieser Frage setze ich eine gewisses Verständnis von “Sozialethik” voraus (vgl. z.B. hier) und ich konzentriere mich auf die Rekonstruktion des Gegenstandes einer Sozialethik des Web 2.0 […]