Mit den Anrufen von Bundespräsident Wulff bei Kai Dieckmann, Mathias Döpfner oder (laut Cicero-Online) auch bei Friede Springer hat sich die „Kredit-Affäre“ um eine „Medien-Affäre“ erweitert. Dieser Vorgang, dass ein Bundespräsident in dieser Weise Einfluss auf die Berichterstattung in den Medien nehmen möchte, ist in der Tat medienethisch hoch prekär. Vor allem das Vokabular mit dem Christian Wulff in dieser Sache über die Medien spricht (nach allem was man weiß: „Rubikon“, „Krieg“, „Stahlgewitter“) zeigt für mich ganz deutlich, dass Wulff die Medien nicht als eine durch unbedingte Pressefreiheit und Zensurverbot zu schützende kritische Öffentlichkeit begreift, sondern als Bühne, auf der er als Person gut oder schlecht dasteht. Und das ist, bei allem Verständnis für das Bestreben, gut und „richtig“ dargestellt zu werden, für einen Bundespräsidenten kein korrektes, und ich meine: kein moralisch korrektes, Verhalten.
Für mich ist klar, dass Wulff durch seinen ursprünglichen Deal mit der Bild-Zeitung (vgl. Berlin direkt vom 8. Januar 2012), durch den er sich die Rückendeckung der Bild-Zeitung u.a. für seine Scheidung und neue Beziehung sicherte (vgl. ebd.), und seinen Anruf bei Diekmann, selber Schuld an dem Medienzirkus ist, der sich in den letzten Wochen ereignet hat. Das aber darf nicht den Blick darauf verstellen, dass auch der Unterhaltungsjournalismus eine politische Verantwortung hat, Wulff also nicht nur als „Celebrity“ sehen darf, sondern auch als Person, die das Amt des Bundespräsidenten inne hat. Die Bewertungen sollten auseinandergehalten werden: Beziehen Sie sich auf die Kreditaffäre des damaligen Ministerpräsidenten (v. a. rechtliches Problem), beziehen sie sich auf den Umgang mit dieser Affäre (Ebene politischer Klugheit), beziehen Sie sich auf Kontakte zu Unternehmern in seiner Zeit als Bundespräsident (rechtliche und moralische Ebene) oder beziehen sie sich auf Wulffs Medienverständnis und seine Versuche, die Berichterstattung zu beeinflussen (medienethische Ebene).
Für die medienethischen Aspekte sind die Kolleginnen und Kollegen in der wissenschaftlichen Kommunikations- und Medienethik gefragt. So hat Klaus Beck einige Interviews gegeben und Marlis Prinzing verfasste einige Zeitungs-Beiträge. Auf mich kam vergangenen Freitag die dpa zu und führte ein Gespräch mit mir (ebenfalls für die Hörfunk-Schiene). Der medienethische Dreh der Affäre hatte über das Wochenende seinen Höhepunkt und daher erschien das Interview in jeder erdenklichen Zeitung. Dass man dabei betitelt wird als „Ethikexperte der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft“ (DGPuK) ist typisch, aber falsch. Mir ist nicht bekannt, dass die DGPuK einen Ethikexperten oder eine Ethikexpertin hat und wüsste auch nicht, was das sein soll. Aber mein Amt bei der DGPuK, „Sprecher der Fachgruppe Kommunikations- und Medienethik der DGPuK“ ist für das Nachrichtengeschäft viel zu abstrakt. „Experten“ müssen her – und eine medienethische Expertise stelle ich gerne zur Verfügung.
(Bildquelle: Screenshot von http://www.lvz-online.de)