Tagung „das neue netz“ II

Weiter geht es im „Slot 2“.
Lars Alberth spricht über „Körper und Selbst“ im Web 2.0. Verwundert zeigt er sich darüber, dass der Körper nicht in der Web 2.0-Forschung vorkommt. Für „Praxis“ sei dagegen immmer „Köper“ notwendig (Anselm Strauss). Als „gesellschaftstheoretische Annahme“ sieht er Netzwerkgesellschaft als Kontrollgesellschaft und mit Gramsci die Blogger als „organische Intellektuelle“.
„Techniken des Selbst“ haben mit Foucault eine ethische Relevanz. Als Beispiele führt er Websites an, auf denen Körperlichkeit im Mittelpunkt steht – Körperlichkeit aber weniger als sinnliche Körperlichkeit, sondern eher im Umfeld von Effizienz-Fragen (wettkampffähiger Körper).
Er führt als Kategorie „trajectories“ („Flugbahnen des Selbst“) ein, die den Entwurfscharakter der Körperthematisierung betonen. Fazit: Körper sind ein Thema von Weblogs und Weblogs sind darüber hinaus „originäre Medien von Selbst und Körper im Web 2.0“.

Leonard Reinecke spricht danach über „Privatsphäre 2.0“. Zunächst thematisiert er Konstrukte des Zusammenhangs von Web 2.0-Nutzung und Freigabe von persönlichen Daten (Affinität zum Web 2.0; Motive der Web 2.0 Nutzung). Gratifikationen der Web 2.0 Nutzung sind mit self-disclosure verbunden. Gleichzeit spielt aber auch „Need for privacy“ eine Rolle. Vermutlich sei also das Web 2.0 für Menschen mit einem geringeren „Need for privacy“ attraktiver. Als Konzept für die Werteunterschiede von Web 2.0 Nutzern zieht er den allgemeinen Wertekanon von Schwartz heran, der 10 universelle Wertetypen vorstellt. Als Forschungsfrage wird dann formuliert, ob sich der Wertekanon von Nutzern mit einer hohen Affinität zum Web 2.0 von dem Wertekanon unterscheidet, die eine geringere Affinität haben.

Einige Ergebnisse der empirischen Untersuchung: Produzenten von User-Generated-Content haben eine hohe Bereitschaft zur self-disclosure, wogegen Web 2.0 affine Nutzer sich in ihrem „Need for privacy“ nicht von weniger affinen unterscheiden. Web 2.0 Produzenten zeigen eine höhere Community-Orientierung und Offenheit für Innovationen. Abstinenzler zeigen ein größeres Sicherheitsbedürfnis.

Sein Fazit zum Thema Web 2.0 und Privatsphäre: Web 2.0 ist trotz einer größeren Bereitschaft der Preisgabe von privaten Informationen „kein Raum des grenzenlosen Exhibitionismus“.

[tag: dnn2007]

Tagung „das neue netz“ I

Gerade beginnt die Tagung „das neue netz“. Ich versuche wieder das Live-Blogging- weniger als Verlaufs- denn als Ergebnis- „Protokoll“.
Nach Begrüßung durch Florian Meyer und Grußwort durch Prof. Dr. Stöber beginnt im Slot 1 Jan Schmidt mit der „kurzen Geschichte des Web 2.0“. Er stellt diverse Visualisierungen des Web 2.0 vor (Collagen von Logos, Tag-Cloud von O’Reilly und die Landkarte des Web 2.0). Ihre Nachteile liegen in einer gewissen Statik, die die Prozesshaftigkeit des Phänomens und die Vorläufer des neuen Netzes nicht berücksichtigen. In diesem Sinne besser ist die Abbildung „The Rise of Citizen Media“ und ein Vorschlag, den Jan selber anbringt. Damit betont er die Kontinuität der Internetentwicklung und der damit zusammenhängenden Praktiken („inkrementeller Wandel“) statt eines revolutionären Bruches, der mit dem Start des Web 2.0 augenscheinlich angefangen habe.
Entscheidend ist dann die Analyse dieser Praktiken, womit dann ein bestimmter praxistheoretischer Ansatz als analytischer Rahmen verbunden ist. Mitberücksichtigt werden dabei Praktiken, die über das Netz „zeitlich wie ‚räumlich‘ “ hinausreichen. Das neuen Netz reicht also in das „echte Leben“ hinein. Jan formuliert die These, dass dieser Umstand gerade ein Kennzeichen des neuen Netzes ist. Damit sind die Voraussetzungen dargelegt, mit denen Jan seine trinitarische Analytik von Identitäts-, Beziehungs- und Wissensmanagement als Funktionen des neuen Netzes erläutert.
Folgen der Nutzungspraktiken bauen nicht nur auf Erfahrungen von außerhalb auf, sondern ihre Folgen reichen auch darüber hinaus: Etwa könnte die Zunahme von „Produsage“ auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Wissensordnung hinauslaufen oder Machtverhältnisse neu sortieren.

Der nächste Vortrag von Kolleginnen und Kollegen (alle drei in schwarz-weiß…) von der Uni Hohenheim stellt den Mediennutzer in den Fokus. Zunächst stellt Monika Taddicken sie charakteristische „Wesensmerkmale“ des Web 2.0 vor: zentrale Plattform, vereinfachter Zugang, teil-öffentlich, nicht-flüchtig, Strukturierung durch Gemeinschaft (z.B. gemeinsames Tagging), Interaktivität und Vergemeinschaft. Zusammenfassend: „architecture of participation“ (O’Reilly), „Produsage“ und neuen Formen von Vergesellschaftung. Web 2.0 wird als „soziale Innovation“ verstanden, etwa durch „neue Teilhabemöglichkeit“. Systematisch unterscheiden sie nach Mikro-, Meso- und Makroebene und darin jeweils nach Ursachen und Wirkungen. Im Rahmen dieses Rasters kommt zunächst der Uses-and-Gratifications-Approach, dessen Grundannahme ein aktiver Rezipient ist, in der Vorstellung durch Anke Tschoerner zum Zuge. Dann verortet Ljewin Scheiko das Meinungsführer-Konzept in dem Raster. Dieser Ansatz geht davon aus, dass persönliche Kontakte als einflussreichste Informationsquelle angesehen werden und überträgt diesen Ansatz auf eine virtuelle Meinungsführerschaft durch Medien, Internet und Web 2.0. Gerade das Web 2.0 „bietet Meinungsführern eine hervorragende (globale!) Plattform“, womit natürlich Machtfragen verbunden sind.

[tag: dnn2007]

Forum Sozialethik 2007 zu Solidarität und Toleranz

Noch gar nicht hingewiesen hatte ich auf das schon nächsten Monat stattfindende Forum Sozialethik 2007. Es geht unter dem Motto “Solidarität ist die Chance der Toleranz” (Z. Baumann)?“ um den schwierigen Zusammenhang dieser ethischen Kernbegriffe Solidarität und Toleranz. Einige interessante Leute tragen zu interessanten Themen vor (vgl. die Abstracts zu den Vorträgen). Mit Katia Neuhoff übernehme ich dort die zusammenfassende Tagungskommentierung. Wer sich noch nicht angemeldet hat, findet hier alle weiteren Informationen.

Das Forum Sozialethik ist eine Initiative junger Sozialethikerinnen und Sozialethiker. Es dient dem Austausch von Nachwuchswissenschaftlern und –wissenschaftlerinnen (Promotion, Habilitation, Privatdozenten und –dozentinnen) sowie fortgeschrittenen Studierenden des Faches Sozialethik im deutschsprachigen Raum.

Forum Sozialethik 2007: Call for Papers

Gerade ist der Call for Papers für die diesjährige Tagung des Forums Sozialethik erschienen. Es geht um:

„Toleranz und Solidarität. Als Haltungen bzw. Tugenden des Individuums sollen sie überall dort wirksam werden, wo staatliche Problemlösungsstrategien versagen – aktuell besonders in Fragen sozialer Sicherheit und des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher ethnischer, kultureller und religiöser Herkunft. Diese beiden »heißen« Beispiele zeigen bereits eine – weitgehend exklusive – Zuordnung der beiden Begriffe zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Problemlagen an. Toleranz wird dort gefordert, wo unterschiedliche Identitätskonstruktionen und Lebensweisen aufeinander prallen. Solidarität ist gefragt, wenn andere in soziale Not geraten.“

Ich empfehle die Beteiligung durch eine Antwort auf den Call. Alles weitere hier.

Medienethik der Zukunft

Tagung Medien der Zukunft

Vergangenen Mittwoch habe ich das Symposium „Zukunft der Medien – Medien der Zukunft“ besucht, das vom Mediencampus Bayern e.V., srt – Schule für Rundfunktechnik Nürnberg und dem Presseclub Nürnberg veranstaltet wurde. Eine sehr gut organisierte, interessante und angenehme Veranstaltung. Einige nette Menschen habe ich dort getroffen.

Selbst durfte ich einen Vortrag zu den Herausforderungen für die Kommunikations- und Medienethik halten. Ich habe versucht, die sozialen Aspekte des Medienwandels zu betrachten und die Technik nicht als das eigentliche ethische Problem zu behandeln. Im Kern ging es mir um:

  1. Medienethik ist keine Skandalethik, die immer nur dann einsetzt, wenn irgendwo mal wieder vermeintliche Grenzen überschritten werden (bspw. Big-Brother).
  2. Im Zeitalter von Newsreader, Podcasts und den entsprechenden Endgeräten geht es Medien- und Kommunikationsethik um die Ermöglichung von kommunikativer Freiheit und um die angemessene Gestaltung dieser Möglichkeiten. An dem Streit darüber ist die Medienethik interessiert.
  3. In der Wissensgesellschaft ist die Beteiligung an medialer und öffentlich-kommunikativer Wissensvermittlung Bedingung der Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe und daher eine Frage sozialer Gerechtigkeit.

Das sind fast alles Gedanken aus meiner Dissertation (deren Veröffentlichung noch ein wenig auf sich warten läßt). Schön, endlich mal ein paar Ergebnisse daraus vorgestellt zu haben. Den Vortragstext gibt es hier.

Sonst ging es bei der Tagung fast ein wenig penetrant um die Frage, wie sich auch in Zukunft mit den Medien noch Geld verdienen läßt. Schlagworte und Zusammenhänge wie „Geschäftsidee“, „Innovation“, „Content muss verkauft werden können“, „Clusterpolitik“ und „Medienstandort Bayern“ fielen bei der Podiumsdiskussion in jedem zweiten Satz und der „Medienminister“, Staatsminister Eberhard Sinner, entpuppte sich als Medienwirtschaftsminister (und Fan von Bayern 4 und kurzen Reden). Gespräche mit Frau Schardt, Clustermanagerin Cluster Audiovisuelle Medien, und Prof. Dr. Gabriele Goderbauer-Marchner, Geschäftsführerin des Mediencampus Bayern e.V. lassen aber hoffen, dass auch für Standortfragen die Medienethik in Aus- und Fortbildung und Wirtschaftsförderung nicht zu kurz kommt. Vielleicht werde ich ja mal wieder eingeladen…

Ach, noch was: Der Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, Heinz-Joachim Hauck, meinte (in seinem sonst sehr informativen Vortrag) ernsthaft, dass man Zeitungen heute braucht, damit Zeitungsredakteure im Informationsdschungel sagen, was wirklich alle wissen müssen… Ich lass‘ das mal so stehen und hoffe, dass jemand einen Kommentar hinterläßt…

Vortrag Marketing, Werbung, Sozialethik

Hier die PowerPoint-Präsentation zum Vortrag: „Ist alles erlaubt, was Umsatz bringt? Eine sozialethische Beurteilung.“

Vgl auch den Eintrag zum gleichen Thema.

Sie sind herzlich eingeladen, Ihre Kommentare zu hinterlassen und in die Diskussion einzutreten.

Update 05.01.2007: Mittlerweile ist eine Zusammenfassung des Vortrags erschienen:

  • Literaturangaben: Filipović, Alexander (2007): Ist alles erlaubt, was Umsatz bringt? Eine sozialethische Beurteilung. In: Hirschberg, 60 Jg. (2007) H. 1 (Januar), 3-8.

Update 14.06.2007: Stephan hat mich auf eine Bilderserie „Werbung an der Grenze“ aufmerksam gemacht.

Update 29.04.2008: Mit freundlicher Genehmigung der Hirschberg-Redaktion darf ich den Scan des Aufsatzes als PDF zur Verfügung stellen:

Dramaturgie und Marketing als Gegenstand von Sozialethik

Für einen Vortrag zum Thema „Ist alles erlaubt, was Umsatz bringt? Eine sozialethische Beurteilung” nächstes Wochenende in Münster auf der Tagung “Dramaturgie und Marketing” (Kath. Akademie Franz Hitze Haus, veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftlergilde der KMF) bin ich auf einen interessanten Blogeintrag bei brainwash gestoßen. Das Blog (das als „Magazin auftritt) wird betrieben von der der Agenturgruppe Robert & Horst (z.B. webguerillas.de). Der Ethiker sollte zwar immer aufmerken, wenn professionelle Öffentlichkeitsarbeiter über PR-Ethik, Manager über Wirtschaftsethik, Sportler über Sportethik, Blogger über Blogethik (gibt’s das übrhaupt?) und eben Guerilla-Marketing-Leute über Marketingethik sprechen – interessant ist der Beitrag dennoch.

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Call for Papers 6. Workshop Ethik

Die Evangelische Akademie Arnoldshain hat (zusammen mit der Kath. Akademie Rabanus Maurus, dem Forschungsinstitut Philosophie Hannover und dem Nell-Breuning-Institut) einen Call for Papers für den 6. Workshop Ethik veröffentlicht. Dieses mal geht es um die Bedeutung von Menschenbildern für die ethische Reflexion. Die Spanne in der Ethik geht dabei von einem Verzicht auf Anthropologie bis zu Ihrer behaupteten Unverzichtbarkeit für die Ethik:

Aufgrund des „Faktums der Pluralität“ (John Rawls), das auf gesellschaftlicher wie auf internationaler Ebene ins Auge springt, hatten in den letzten Jahrzehnten vor allem solche Ethiken Konjunktur, die versuchen, ohne Rekurs auf ein Menschenbild auszukommen. Aktuelle sozial- und vor allem bioethische Diskussionen zeigen jedoch, dass die anthropologische Dimension in der ethischen Reflexion ein bedeutsames Element sein kann.

Klingt nach einer extrem spannenden Tagung. Rückmeldungen auf den Call bis 1.12.2006.

Fotos Tagung Societas Ethica 2006 (Oxford)

Hier ein paar Impressionen von der Tagung „Political ethics and international order“, Societas Ethica and The Society for the Study of Christian Ethics; Wadham College, Oxford, England: 23-27 August 2006″

Wadham

Konferenzort: Das Wadham College. Die Unterbringung war, sagen wir mal, sehr studentisch…

Christ Church Cathedral

Das wohl berühmteste College: Christ Church

Wadham Hall

Essen wie Harry Potter: Die Hall des Wadham College

Bodleian Library

Links ein Lesesaal der Oxforder Bodleian Library.

Ressourcen zum Vortrag: The Power of the Bloggers

Some hints and additional ressources for my presentation:

– Mainstream-Media reporting about warblogs in relation to the current conflict in Libanon:

– English abstract, outline and recommended further reading: Handout.

Powerpoint-Presentation (pdf, in German).