Tebartz-van Elst und die Medien

In den letzten Tagen bin ich von verschiedenen kirchlichen Medien um eine Einschätzung gebeten worden, wie die mediale Berichterstattung über Bischof Tebartz-van Elst zu bewerten ist. Auch bei anderen „Äffären“ kann man übrigens sehen, dass sich zunächst eine Berichterstattung aufbaut, ungeheuer Fahrt aufnimmt und dann nach und nach eine Selbstreflexion beginnt, bei der die „Berichterstattung über die Berichterstattung“ an die Stelle der Berichterstattung tritt.

Meine medienethische Meinung ist, dass Journalisten hier a) ihren (guten) Job gemacht haben und recherchiert und informiert haben über Vorgänge, die vor der Öffentlichkeit versteckt gehalten wurden. Andererseits muss man b) sehen, dass es zu einer Überberichterstattung (der Journalismus spielte „Deutschland sucht den ärmsten Bischof“) und auch zu deutlichen Fehlleistungen gekommen ist (etwa wenn über einen krankhaften Geisteszustand des Bischofs spekuliert wird).

Eine Medienkampagne gegen die Kath. Kirche zu wittern halte ich (sofern dies von Kirchenvertretern selbst kommt) für einen schlimmen Kommunikationsfehler und bei allem was ich weiß auch für nicht berechtigt. Wenn es kriselt, sind die Medien und ihre eigenen Gesetze zu loben und zu unterstützen, wenn alles ruhig ist, gehört ethische Kritik an der Mediengesellschaft zur zeitgenossenschaftlichen Aufgabe der Kirche.

Die öffentliche medienethische Expertise findet natürlich in den Medien selbst statt und daher sind meine Äußerungen Teil des öffentlichen Diskurses. So ist es nicht überraschend, dass zu meinem KNA-Interview vom Montag (seit Dienstag, 22.10.  im Angebot der KNA) die Unterzeile „Medienethiker Alexander Filipovic kritisiert die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche“ hinzugefügt worden ist (siehe etwa den Abdruck in der Mainpost vom 23.10.2013). Im Interview fallen die Sätze:

Filipovic: Das größte Problem in Deutschland ist, dass es unter den Bischöfen und Bistümern keine abgestimmte Kommunikationsstrategie gibt. Es scheint einfach nicht möglich zu sein, dass man die Kommunikation zusammenzieht. Vielleicht gibt es dafür gute Gründe, aber die Medien reagieren darauf höchst verstört, dass es keinen Ansprechpartner gibt für die katholische Kirche in Deutschland, sondern dass es 27 gibt. Daran müsste man arbeiten: an einer verstärkten, zentralen Kommunikationsstrategie und Öffentlichkeitsarbeit. Da müssen dann auch Posten geschaffen werden.

Ich bin sicher und weiß, dass in der Kirche an vielen Stellen gute, sogar hervorragende Öffentlichkeitsarbeit geleistet wird, auch im Bonner Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Ziel meiner Kritik war nicht diese Öffentlichkeitsarbeit, sondern das m.E. in der Tat vorliegende strukturelle Problem, dass Kirche von außen als ein Akteur wahrgenommen und angefragt wird, intern aber 27 Bistümer mit ihren Bischöfen selbständig agieren. So wird ein Limburger (und mit den kath. Krankenhäusern damals Kölner) „Problem“ zwangsläufig zu einem (extremen) Problem der gesamten deutschen katholischen Kirche, auf das aber nicht als solches reagiert werden kann (weil etwa die Presseabteilung der DBK nichts zu Limburg sagen kann).

Deshalb plädiere ich für Strukturveränderungen, die sich nur im Zuge einer Zusammenarbeit der Bischöfe realisieren ließen. Etwa wäre die Absprache denkbar, dass bei der DBK eine Abteilung für Krisenkommunikation geschaffen würde, die die Arbeit dann im Fall vor Ort übernimmt. Freilich würde das bedeuten, dass diese Leute dann nicht (nur) dem jeweiligen Ortsbischof verpflichtet wären, sondern einem gemeinsamen Interesse der Kath. Kirche in Deutschland. Ob und wie das allerdings realisiert und in Strukturen verfestigt werden könnte – da bin ich recht ratlos und gar skeptisch.

 

Die Papstwahl und die Medien

Eigentlich wäre nach meinem Eintrag zum medialen Echo des Papstrücktrittes ein analoges Posting fällig zum Thema „Die Papstwahl und die Medien“. Nach dem medialen Stress der letzten Tage scheint spätestens jetzt eine Reflexion darüber in Gang zu kommen, was da medial eigentlich passiert. Ich verweise aus Zeitnot aber hier nur auf das Blog-Posting von Gerd Häfner, der nicht nur lesenswert kommentiert, sondern interessante Beiträge verlinkt.

Der Papstrücktritt und die Medien

Der Rücktritt des Papstes war ein immenses Medienereignis. Die Nachricht hat „eingeschlagen“. Innerhalb weniger Minuten hat sich zum Beispiel in Deutschland kein Mensch mehr für das Thema „Schavan“ interessiert. Wenn man sich nur die Titelseiten der internationalen Presse am Tag nach dem Rücktritt anschaut, sieht man, wie die Presse fast ungläubig reagiert und mit der Absurdität der Nachricht (“Papst kündigt Rücktritt an”) spielt oder das zumindest versucht (mein Favorit: „Pope Quits“, Daily Telegraph).

Inhaltlich und organisatorisch ist der Fall sicher eine Herausforderung für die Redaktionen gewesen, speziell in Deutschland. Einiges kommt hier zusammen, was kaum zeitgleich behandelt werden kann: ein Papst tritt zurück, ein deutscher Papst tritt ab, die Leistungen eines Intellektuellen wollen gewürdigt werden, Vorbereitung der Papstwahl, Spekulation um den Nachfolger – und alles das in einer Situation, in der die Katholische Kirche mit „Skandalen“ zu kämpfen hat (z. B. Missbrauchsfälle, Vatileaks) und in besonderer Weise mediale Aufmerksamkeit erfährt.

Anlass für eine Medienkritik?

Im Ganzen gesehen gibt die Berichterstattung um den Papstrücktritt und die anstehende Wahl keinen großen Anlass für Medienkritik. Richtige Ausfälle sind nicht zu verzeichnen oder habe ich nicht bemerkt. Der Boulevard war einigermaßen einfallslos, die Bild-Zeitung konnte mit ihrer schlappen Schlagzeile „Keine Kraft mehr” nicht an ihren legendären Titel von der Papstwahl („Wir sind Papst”) heranreichen. Der Titel der TAZ vom 12.2. („Gott sei Dank”) wurde meines Erachtens zu Recht als misslungen bezeichnet: Sie zeigt, dass ein negativer Vorbehalt, gerade wo er als originelles Witzchen inszeniert wird, selten zu einer weiterführenden Auseinandersetzung in der Sache führt.

Dem Fernsehen haben in den Sondersendungen die Experten gefehlt, so dass hier nicht selten Journalisten von Journalisten befragt wurden (z.B. Michaela Pilters von Peter Frey im Heute-Spezial am Tag der Rücktrittsankündigung). Deutlich wird daran, wie sehr der Katholischen Kirche „Köpfe” fehlen, die aus der Innenperspektive plausibel und sympathisch und unter Umständen dabei streitbar die eigene Sache vertreten. Andererseits hängt das aber auch mit der Fixierung der Medien auf Amtspersonen zusammen, wobei das wiederum auch mit den Strukturen der Kirche selbst zu tun hat.

„Papst-Content“ zwischen Rücktritt und Papstwahl

Die Menge an „Papst-Content” gerade in den ersten Tagen und jetzt bei der Vorbereitung auf das Konklave ist sicherlich bemerkenswert. Viel Abseitiges habe ich dabei nicht bemerkt. Auch um die lange Zeit zwischen Rücktrittsankündigung und Papstwahl zu überbrücken, brachte und bringt die Presse die Human-Touch-Geschichten zu Benedikt, einzelnen Kardinälen oder zu der Journalistin, die durch ihre Lateinkenntnisse als erste den Rücktritt überhaupt verstanden und in den Ticker gegeben hat. Das sind personalisierte „Stücke“, in und an denen das Ereignis exemplarisch deutlich werden soll. Man sieht an der Menge der Papst-Berichterstattung: Die katholische Kirche hat  – trotz und wegen ihrer besonderen Verfahren, Riten, Zeichen und Ämter – in Deutschland und weltweit eine große Aufmerksamkeit, die sich vor allem am Papst und an der „Zentrale” in Rom entzündet.

Eine Papstwahl ist immer ein Ereignis, das dieses Mal sicher durch den Rücktritt, aber auch zum Beispiel durch Vatileaks noch eine eigene Dynamik bekommt. Alle spüren, wie notwendig eine Reform der römischen Kurie ist. Die Spannung ist dieses Mal sehr groß, wie diese Reform angegangen wird, welche Reichweite sie haben wird und wer sie initiiert. Was sich mit dem Rücktritt, der Neuwahl, der Reform, den dann zwei Päpsten (emiritiert und amtierend) und dem weißen Rauch abspielt, ist ein Drama, durchaus in einem positiven Sinne. Es ist für sehr viele Menschen interessant, spannend und der Ausgang ist ungewiss. Die Menschen lieben das, und die Medien daher auch.

Lustig? Der Papst in den Social Media

Was allerdings nicht nur mir aufgefallen ist, ist der Unernst im Umgang mit der Nachricht vom Papstrückgang im Internet und den Social Media (vgl. die Artikel in SpOn, in der SZ von Johannes Boie, und in der TAZ). Egal, ob der Papst-Rücktritt jetzt das Ereignis mit der bisher größten Twitter-Resonanz der Geschichte ist oder nicht (die Messungen gehen da auseinander): der Kalauer, die lustig gemeinte schlaue Bemerkung, die ironische Respektlosigkeit, der Papst-Witz auf der letzten noch denkbaren Meta-Ebene des Phänomens – dieser Modus prägte im Wesentlichen die Resonanz im Internet.

Es wird daran deutlich, dass sich die Menschen nicht für den Papst, Benedikt selbst, das Verhältnis von Religion und Gesellschaft oder für die Bedeutung des Rücktrittes interessieren. Es wird nur deutlich, wie auch dieses Thema ganz aus der Ich-Perspektive dafür benutzt wird, in der eigenen Facebook-Timeline ein paar „Likes” einzusammeln. Natürlich gibt es unglaublich viel Qualität auch zu diesem Thema im Netz. Aber mir ist aus diesem Anlass aufgefallen, wie weit doch der Mainstream der Kommunikation in Twitter und Facebook von der Qualität eines öffentlichen Diskurses entfernt ist.

Führt der Rücktritt zu einem neuen medialen Umgang mit dem Papst?

Es wurde von Kirchenvertretern und Theologinnen und Theologen vielfach bemerkt, dass dieser Rücktritt das Papstamt verändert (vgl. das Dossier beim MFThK). Das ist ohne Frage richtig. Manche halten das für gut, andere für schlecht – je nach Standpunkt. Es überwiegt in der Berichterstattung eher der Respekt für den Schritt, der als Respekt vor Benedikt XVI. zum Ausdruck gebracht wird – bei gleichzeitiger genereller Distanz zur Katholischen Kirche.

Inwieweit die Veränderung des Papstamtes den Medienumgang mit der Katholischen Kirche und dem Papst verändern wird, lässt sich kaum vorhersagen, nur vermuten. Der allgemeine Medienumgang mit der katholischen Kirche ist sowieso geprägt von einer kritischen Grundhaltung und der Papst wird ja bisher keinesfalls als unangreifbar behandelt oder medial mit Samthandschuhen angefasst. Diese Grundhaltung wird, so glaube ich, durch Benedikts Rücktritt weder verstärkt noch gemindert werden.

Allerdings – und das wird interessant zu beobachten sein – könnte sich der Umgang der kirchlichen und kirchennahen Medien mit dem Papst ändern. Wenn sich das Papstamt ändert, es sich als weniger mystisch und sakral begreift, wird die sachliche Auseinandersetzung mit den Aufgaben des Papstes hoffentlich leichter. Stark konservativ ausgerichtete kirchennahe Medien (gloria.tv oder kath.net) werden an ein solches Papstbild jedenfalls kaum Anschluss finden. Eine sachliche Berichterstattung und Kirchenkritik durch die kirchlichen Medien, ohne falschen Respekt vor der übermenschlichen Größe des Amtes, die an einer guten und gerechten Gestalt von Kirche interessiert ist – das würde ich mir von der christlichen Medienwelt weiterhin und verstärkt wünschen.

Dass der Papst ohne Weiteres zurücktreten kann, dies eine reale und ergreifbare Möglichkeit darstellt, wird von den Medien nicht vergessen und wird bei entsprechendem Anlass sicherlich hervorgeholt werden. Einen neuen und andersartigen Kampagnen-Journalismus gegen den Papst oder die Katholische Kirche wird der Rücktritt und die Veränderung des Papstamtes aber kaum befördern.

Quellen/Hinweise

Als Quelle habe ich vor allem das „Altpapier“ vom 13.2.2013 und vom 12.2.2013 benutzt. Der Text ist veranlasst worden durch eine Anfrage der Pressestelle der Universität Münster, die dafür auch einige Fragen formuliert hat, an denen ich mich orientiert habe. Die daraus entstandene Pressemeldung vom 12.3.2013 umfasst zwei Absätze. Hier in diesem Posting sind die dort aufgeführten Zitate in ihrem ursprünglichen Kontext nachzulesen.

Erzbischof Celli zu Kirche in den Social Media

Claudio M. Celli, Präsident des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel, hat auf der 13. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (7. – 28. Oktober 2012) über die Bedeutung der sozialen Netzwerke für die kirchliche Kommunikation gesprochen.

Es handelt sich meines Erachtens um einen bemerkenswerten Text, vor allem weil er erstens die „digitale Arena“ als echten (und nicht degenerativen) Lebensraum vor allem jüngerer Menschen begreift, und zweitens eine Veränderung des eigenen kirchlichen Kommunikationsstils anmahnt, der deutlich über eine bloße Veränderung der Kommunikationsstrategie hinausgeht. Zitat:

„Wir müssen anerkennen, dass die digitale Arena heute die Realität vieler Menschen ist, in der sie leben, am deutlichsten in der westlichen Welt, aber auch zunehmend unter den Jugendlichen der Entwicklungsländer. Wir dürfen sie nicht mehr als „virtuellen“ Raum betrachten, der irgendwie weniger wichtiger wäre als der „reale“. Wenn die Kirche in diesem Raum nicht gegenwärtig ist, wenn die Gute Nachricht nicht auch „digital“ verkündet wird, laufen wir Gefahr, viele Menschen zu verlieren, für die das die Welt ist, in der sie „leben“: hier ist das Forum, auf dem sie ihre Informationen und Nachrichten beziehen, ihre Meinungen bilden und zum Ausdruck bringen, sich in Debatten engagieren, in Dialog treten und nach Antworten auf ihre Fragen suchen. Die Kirche ist schon gegenwärtig im digitalen Raum, aber die nächste Herausforderung ist jene, unseren Kommunikationsstil zu verändern, um diese Gegenwart wirksam werden zu lassen.

[…]

[D]ie neuen Medien sind wirklich eine offene Welt, frei, „auf Augenhöhe“, sie anerkennen oder privilegieren nicht automatisch Beiträge von etablierten Autoritäten oder Institutionen. In einem solchen Umfeld ist Autorität kein Recht sondern muss verdient werden. Das bedeutet, dass die kirchliche Hierarchie genauso wie die politische und gesellschaftliche neue Formen finden muss, um ihre eigene Kommunikation zu erarbeiten, damit ihr Beitrag in diesem Forum die angemessene Aufmerksamkeit erhält.“

Der nicht nur kirchenpublizistisch und medienethisch, sondern auch sozialethisch interessante Text ist auf den Seiten des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel hier veröffentlicht. Das Zitat stammt aus dieser privaten Übersetzung.

[via Clearingstelle Medienkompetenz der DBK; auch „Kirche 2.0“ setzt sich hier mit dem Text auseinander]

Markt und Moral – Zu Gast bei der Konrad Adenauer Stiftung

Im Rahmen eines Initiativseminars für Stipendiaten der Konrad Adenauer Stiftung zum Thema „Markt und Moral“ war ich eingeladen, eine christlich-sozialethische Sichtweise auf das Thema vorzustellen. Auch dabei: Ruprecht Polenz, Bundestagsabgeordneter der Stadt Münster (hier ein Bericht von seiner Website), Prof. Dr. Peter Kajüter vom Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Münster sowie Dr. Siegfried Riediger von BASF-Coatings.

Bei solchen Podiumsdiskussionen empfiehlt sich eine prägnante Position und ich hatte mich entschieden, das christlich-sozialethische Potential einer ganz anderen Sichtweise ins Spiel zu bringen. Wirtschaftsethik aus christlicher Perspektive würde sich in dieser Sichtweise nicht an die Wirtschaft und ihre Sprache ausliefern, denn sonst wäre nur eine immanente Kritik möglich, die latent affirmativ bleibt. Statt dessen würde sie auf ihrer eigenen Sprache und ihrer eigenen Hoffnung bestehen und diese gegen die „Erzählung des Marktes“ ins Spiel bringen.

Mein Forderung nach einer christlich motivierten „zünftigen Kapitalismuskritik“ konnte die Stipendiaten der Konrad Adenauer Stiftung aber nicht so richtig von ihren Sitzen reißen 😉 – womit ich natürlich gerechnet hatte.

Natürlich bleiben wichtige methodische Überlegungen in diesem Statement unberücksichtigt, wie zum Beispiel die Notwendigkeit einer sachgerechten Wirtschaftsethik, die eine ökonomische Expertise braucht und insofern auch die ökonomische Sprache beherrschen muss. Aber wie gesagt: Das stand im Dienst einer prägnanten Position.

Bei der gelungenen Podiumsdiskussion hat Ruprecht Polenz das „christliche Menschenbild“ als Grundlage einer Wirtschaftsethik ins Spiel gebracht. Diese Formel, von christdemokratischen Politkerinnen und Politikern ja gerne verwendet, sollte dann begründen, warum man zwar von der Freiheit und Sozialität des Individuums ausgehen, aber auch deren Anfälligkeit für egoistisches Verhalten ins Kalkül ziehen muss. Herr Polenz hat das sehr behutsam ins Spiel gebracht, aber wie man mit dem christlichen Menschenbild argumentieren kann und wie nicht und was das überhaupt sein kann, ein „christliches Menschenbild“ – das wird als Frage übergangen. Aber die Beschäftigung genau mit diesen Fragen wäre für mich der Schlüssel, mit dem man „christliches Menschenbild“ und „Politik“ verknüpfen kann.

Mein Kurzstatement gibt es hier.

(Bildquelle)

Ethik der Entwicklung – Call for Papers (Forum Sozialethik 2010)

Soeben ist der Call for Papers für die Tagung des Forums Sozialethik 2010 zum Thema „Ethik der Entwicklung“ veröffentlicht worden.

Was ist das Forum Sozialethik?

Das Forum Sozialethik ist eine Initiative junger Sozialethikerinnen und Sozialethiker und dient dem Austausch von Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen (Promotion, Habilitation, Privatdozenten und -dozentinnen) sowie fortgeschrittenen Studierenden des Faches Sozialethik im deutschsprachigen Raum. Interessierte benachbarter Disziplinen sind herzlich willkommen. Weitere Informationen unter www.forumsozialethik.de.

Alle weiteren Informationen auf der Tagungswebsite.

Web 2.0 in der Perspektive kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit

öa kirchAm Freitag (15.01.2010) war ich zu Gast beim 7. Forum für kirchliche  Öffentlichkeitsarbeit (*.pdf) zum Thema „Web 2.0 – und was nun? Neue Kommunikationsinstrumente für die Gewinnung und Information von neuen Zielgruppen“. Leider konnte ich nicht die ganze Tagung besuchen, so habe ich Jan Schmidts Beitrag verpasst (seine Folien bei slideshare).

Selbst hatte ich die Aufgabe, einen Beitrag von Bischof Dr. Gebhard Fürst zu kommentieren. Bischof Fürst skizzierte (in seiner Funktion als Vorsitzender der publizistischen Kommission der DBK) die Position der Deutschen Bischofskonferenz zu den kirchlichen Bemühungen im Bereich der Neuen Medien. Vor allem setzen die Bischöfe auf Bewegtbilder und arbeiten an einer Plattform, auf der sie die Beiträge publizieren können; der Relaunch von www.katholisch.de steht wohl dieses Jahr bevor.

Mich verwirrt die starke Fokussierung auf Internet-TV ein bisschen, da ich mir nicht so recht vorstellen kann, wer das schauen soll. Allerdings gibt der Erfolg von gloria.tv denjenigen Recht, die dem Internet-TV im Bereich der Kirche eine gute Zukunft voraussagen.

In meinem Kommentar habe ich mich aber vor allem auf Soziale Netzwerke bezogen. Die katholische Kirche ist hier sehr verunsichert, wie da vorzugehen ist: Entweder mit allem Engagement hinein oder eher doch vorsichtig und abwartend. Ich habe im Kommentar versucht zu zeigen, das jede Institution es im Neuen Netz schwer hat und dies für die Institution Kirche vermehrt zutrifft. Es wäre also deutlicher zwischen institutionellen Bemühungen auf der einen und themen- und vor allem personenzentrierten Anstrengungen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Für letztere Dimensionen sehe ich gute Möglichkeiten im Neuen Netz. Für diejenigen, die den Vortrag gehört haben, sind vielleicht die Folien interessant (slideshare).

Der Vortrag hat, so mein Eindruck, einen kleinen Startschuss geben können für eine sehr rege Diskussion über neue Formen der kirchlichen Kommunikation. Auch meine Idee einer Iphone-App, die den nächsten Gottesdienst in der Nähe anzeigt, ist offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen. Zuetzt: Getwittert wurde auch sehr rege, auch zu dem Vortrag von Jürgen Pelzer.

Christliche Sozialethik als Wirklichkeitswissenschaft – Grundlagen

Christliche Sozialethik als Wirklichkeitswissenschaft zu beschreiben, entspricht zunächst nicht einer üblichen Terminologie. Eine ethische Disziplin als Wirklichkeitswissenschaft zu beschreiben mag sogar irritieren, da es die Ethik doch nicht dem Sein (dem real Gegebenen), sondern mit dem Sollen (dem idealen Richtigen und Guten) zu tun hat.

Die Sozialethik betrachtet das Soziale (zunächst kann offen bleiben, was damit gemeint ist) als ihren Gegenstand (materiale Spezifität der Sozialethik) oder geht moralische Fragen das Soziale betreffend anders an (formale Spezifität der Sozialethik).Für die erste Variante kann die Münchener Schule im Gefolge Korffs gelten, z.B. (Hausmanninger 2002), die zweite Sichtweise wird z.B. bei Mieth deutlich, vgl. (Mieth 2002), S. 503: Sozialethik „ist das Ganze der Ethik auf eine bestimmte, institutionenbezogene Weise“. Die Problematik des Eigenen des sozialethischen Zugriffs halte ich für eine wichtige und größtenteils offene Grundlagenfrage der Christlichen Sozialethik (vgl. (Filipovic 2009 (im Druck))). Wichtig ist es aber so oder so, die Analyse des Sozialen systematisch von normativen Vorschlägen zur Verbesserung der Gesellschaft zu trennen.

Diese Analyse oder Wahrnehmung des Sozialen stellt selbst eine Schwierigkeit dar. Mit welchen Mitteln und Methoden nehmen wir das Gesellschaftliche wahr, welche Begriffe und Theorien werden benutzt? Nach welchen Kriterien ist hier aus der Vielzahl an Angeboten auszuwählen? Bedeutsam ist in diesem Kontext, dass sich eine Analyse und Wahrnehmung nicht einfach in einer reinen Darstellung erschöpfen kann. Eine rein objektive Darstellung des Sozialen ist nicht möglich, weil eine Darstellung immer auswählen muss und gewichtet. Wahrnehmung und Analyse ist immer vor allem ein Verstehensprozess. Wenn es im wissenschaftlichen Kontext um Verstehen geht, dann spricht man von Hermeneutik im Sinne einer Methodik, die die Voraussetzungen und Bedingungen des Verstehens in bestimmten Fällen auszuweisen versucht.

An dieser Stelle kann das typisch Christliche der christlichen Sozialethik gesucht und gefunden werden. Das Christliche lässt sich als eine bestimmte Weise der Selbst- und Weltwahrnehmung beschreiben und das heißt, dass die Christliche Sozialethik die Wirklichkeit in bestimmter Weise wahrnimmt, beschreibt, analysiert, versteht und erklärt. Diese bestimmte Weise der Wahrnehmung kann dann als christliche Hermeneutik beschrieben werden. Christliche Sozialethik hat sozusagen andere Antennen, einen anderen Empfänger und ein anderes Wiedergabegerät für den Weltempfang als Philosophen, Künstler oder Journalisten. Dabei geht es nicht in erster Linie um besser oder schlechter oder wahr und falsch. Es geht vielmehr um die inhaltlichen Überzeugungen christlich gläubiger und geprägter Menschen, die dazu führen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es gibt dabei keinen christlichen Anspruch, die Welt anders als andere sehen zu wollen, sondern Christen sind überzeugt davon, dass andere Weltwahrnehmungen ihr eigenes Recht haben und diese letztlich und im Grunde kompatibel sind mit der christlichen Weise. Dennoch treten Christinnen und Christen mit dem Anspruch auf, ihre spezifische Aufmerksamkeit, mit der sie die Welt erfahren, ist wichtig und unverzichtbar.

Diese Optionen der Aufmerksamkeit, mit der die christliche Sozialethik das Soziale betrachtet, lassen sich so beschreiben: Es ist im Wesentlichen die Aufmerksamkeit für „Unterdrückte, Benachteiligte und Marginalisierte“ und „für gefährdete Institutionen des Humanen“ (Mandry 2002, S. 507).Diese Optionen finden sich in der Bibel, vgl. zu Bibel und christlicher Sozialethik (Heimbach-Steins 2004).

Wenn die christliche Sozialethik in dieser Weise auf das Soziale schaut, ergeben sich ganz bestimmte Problemfelder und Problemlagen. Das Soziale wird zugleich mit seinen Strukturen und Institutionen und in seiner zeitlichen Dimension betrachtet. Die „Zeichen der Zeit“ des (welt-)gesellschaftlichen Lebens stehen dann für diese aktuellen gesellschaftlichen Problemfelder und Problemlagen, z.B. die Klimakatastrophe mit ihren Folgen für weltweite soziale Gerechtigkeit, die Situation der Bildung in Deutschland mit ihren fatalen Folgen für Kinder aus den armen und augeschlossenen Familien oder die Möglichkeiten und Gefahren moderner biomedizinischer Forschung.

Diese Sozialanalyse in Orientierung an den „Zeichen der Zeit“ ist essentiell für eine moderne christliche Sozialethik, die da ansetzen muss, wo sich ihre Vorschläge zur Verbesserung gesellschaftlicher Zustände auch bewähren sollen: in der Wirklichkeit.Vgl. (Höhn 1991), S. 288-290.

Damit sind die Grundlagen angedeutet, warum Christliche Sozialethik als Wirklichkeitswissenschaft beschrieben werden kann. Hier wurde aber noch nicht behandelt, dass die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf verschiedene Quellen zurückgreifen und auf verschiedene Art und Weise geschehen kann. Die Frage nach dem Wie der gesellschaftlichen Wirklichkeitswahrnehmung ist noch kaum beantwortet. Es ist dafür (an anderer Stelle) zu differenzieren zwischen wissenschaftlichen Darstellungen und ästhetischer, religiöser und alltäglicher Erfahrung.

Literaturverzeichnis

  • Filipovic, Alexander (2009 (im Druck)): Die Eigenlogik Christlicher Sozialethik und das interdisziplinäre Gespräch. In: Heimbach-Steins, Marianne; Kruip, Gerhard; Kunze, Axel-Bernd (Hg.): Menschenrecht auf Bildung. Maßstab für die Bildungspolitik in Deutschland. Bielefeld: W. Bertelsmann (Forum Bildungsethik, 6).
  • Hausmanninger, Thomas (2002): Grundlegungsfragen der Christlichen Sozialethik als Strukturenethik auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften, Jg. 43, S. 185–203.
  • Heimbach-Steins, Marianne (2004): Biblische Hermeneutik und christliche Sozialethik. In: Heimbach-Steins, Marianne (Hg.): Christliche Sozialethik. Ein Lehrbuch. Bd. 1. Grundlagen. Regensburg: Pustet, S. 83–110.
  • Höhn, Hans-Joachim (1991): Im Zeitalter der Beschleunigung. In: Furger, Franz; Heimbach-Steins, Marianne (Hg.): Perspektiven christlicher Sozialethik. Hundert Jahre nach Rerum Novarum. Münster: Regensberg, S. 283–302.
  • Mandry, Christof (2002): Art. Theologie und Ethik (kath. Sicht). In: Düwell, Marcus; Hübenthal, Christoph; Werner, Micha H. (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 504–508.
  • Mieth, Dietmar (2002): Art. Sozialethik. In: Düwell, Marcus; Hübenthal, Christoph; Werner, Micha H. (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 500–504.

Forum Sozialethik 2008 zu „Freiheit – Sicherheit – Risiko“

Das Programm zur Tagung 2008 des Forums Sozialethik (8.-10.  September 2008) ist heute veröffentlicht worden. Thema: „Freiheit – Sicherheit – Risiko: Christliche Sozialethik vor neuen Herausforderungen” (vgl. auch meinen Hinweis zum Call for Papers). Hier ein paar meiner Meinung nach besonders spannende Themen:

  • Paradigmen sozialer Freiheit im politisch-ethischen Diskurs – eine Grundlegung, Johannes J. Frühbauer (Augsburg)
  • Das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit in der politischen Philosophie von Hobbes und Kant, Andrea Keller (Hamburg)
  • Die Rückkehr des Leviathan oder wie der globalisierte Terrorismus die labile Balance zwischen Sicherheit und Freiheit im demokratischen Rechtsstaat (zer-)stört, Oliver Hidalgo (Regensburg)
  • Religionsfreiheit als Sicherheitsrisiko? – Kulturalistische und politische Erklärungsversuche sozialer Konflikte des 21. Jahrhunderts, Katja Winkler (Münster)
  • Die gesellschaftliche Rhetorik von Sicherheit – eine Herausforderung für die Medienethik und die politische Ethik, Edeltraud Koller (Linz)

Das ganze Programm ist sehr vielversprechend. Informationen zur Tagung und zum Forum Sozialethik hier.

„Freiheit durch Sicherheit“ oder „Sicherheit durch Freiheit“?

Soeben ist der Call for Papers zur Tagung des Forums Sozialethik 2008 erschienen. Die Tagung trägt den Titel „Freiheit – Sicherheit – Risiko: Christliche Sozialethik vor neuen Herausforderungen“. Angezielt ist eine Reflexion der aktuellen Debatte um innere Sicherheit. „Freiheit – Sicherheit – Risiko“ soll beleuchtet werden aus der Perspektive der politischen Ethik (insbesondere Friedensethik), der Wirtschafts- und Arbeitsethik, der Umweltethik und der Bio- und Medizinethik.

Die Organisatorin und die Organisatoren bitten um Zusendung eines Exposés von 1-2 Seiten bis zum 21. April 2008. Alle Informationen zur Tagung hier.

Das Forum Sozialethik ist eine Initiative junger Sozialethikerinnen und Sozialethiker. Das Forum dient dem Austausch von Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen (Promotion, Habilitation, Privatdozenten und -dozentinnen) sowie fortgeschrittenen Studierenden des Faches Sozialethik im deutschsprachigen Raum. Interessierte benachbarter Disziplinen sind herzlich willkommen. Seit Anfang der 1990er Jahre trifft sich das Forum Sozialethik jedes Jahr im September zum wissenschaftlichen Austausch zu einem thematischen Schwerpunkt.