Der Rücktritt des Papstes war ein immenses Medienereignis. Die Nachricht hat „eingeschlagen“. Innerhalb weniger Minuten hat sich zum Beispiel in Deutschland kein Mensch mehr für das Thema „Schavan“ interessiert. Wenn man sich nur die Titelseiten der internationalen Presse am Tag nach dem Rücktritt anschaut, sieht man, wie die Presse fast ungläubig reagiert und mit der Absurdität der Nachricht (“Papst kündigt Rücktritt an”) spielt oder das zumindest versucht (mein Favorit: „Pope Quits“, Daily Telegraph).
Inhaltlich und organisatorisch ist der Fall sicher eine Herausforderung für die Redaktionen gewesen, speziell in Deutschland. Einiges kommt hier zusammen, was kaum zeitgleich behandelt werden kann: ein Papst tritt zurück, ein deutscher Papst tritt ab, die Leistungen eines Intellektuellen wollen gewürdigt werden, Vorbereitung der Papstwahl, Spekulation um den Nachfolger – und alles das in einer Situation, in der die Katholische Kirche mit „Skandalen“ zu kämpfen hat (z. B. Missbrauchsfälle, Vatileaks) und in besonderer Weise mediale Aufmerksamkeit erfährt.
Anlass für eine Medienkritik?
Im Ganzen gesehen gibt die Berichterstattung um den Papstrücktritt und die anstehende Wahl keinen großen Anlass für Medienkritik. Richtige Ausfälle sind nicht zu verzeichnen oder habe ich nicht bemerkt. Der Boulevard war einigermaßen einfallslos, die Bild-Zeitung konnte mit ihrer schlappen Schlagzeile „Keine Kraft mehr” nicht an ihren legendären Titel von der Papstwahl („Wir sind Papst”) heranreichen. Der Titel der TAZ vom 12.2. („Gott sei Dank”) wurde meines Erachtens zu Recht als misslungen bezeichnet: Sie zeigt, dass ein negativer Vorbehalt, gerade wo er als originelles Witzchen inszeniert wird, selten zu einer weiterführenden Auseinandersetzung in der Sache führt.
Dem Fernsehen haben in den Sondersendungen die Experten gefehlt, so dass hier nicht selten Journalisten von Journalisten befragt wurden (z.B. Michaela Pilters von Peter Frey im Heute-Spezial am Tag der Rücktrittsankündigung). Deutlich wird daran, wie sehr der Katholischen Kirche „Köpfe” fehlen, die aus der Innenperspektive plausibel und sympathisch und unter Umständen dabei streitbar die eigene Sache vertreten. Andererseits hängt das aber auch mit der Fixierung der Medien auf Amtspersonen zusammen, wobei das wiederum auch mit den Strukturen der Kirche selbst zu tun hat.
„Papst-Content“ zwischen Rücktritt und Papstwahl
Die Menge an „Papst-Content” gerade in den ersten Tagen und jetzt bei der Vorbereitung auf das Konklave ist sicherlich bemerkenswert. Viel Abseitiges habe ich dabei nicht bemerkt. Auch um die lange Zeit zwischen Rücktrittsankündigung und Papstwahl zu überbrücken, brachte und bringt die Presse die Human-Touch-Geschichten zu Benedikt, einzelnen Kardinälen oder zu der Journalistin, die durch ihre Lateinkenntnisse als erste den Rücktritt überhaupt verstanden und in den Ticker gegeben hat. Das sind personalisierte „Stücke“, in und an denen das Ereignis exemplarisch deutlich werden soll. Man sieht an der Menge der Papst-Berichterstattung: Die katholische Kirche hat – trotz und wegen ihrer besonderen Verfahren, Riten, Zeichen und Ämter – in Deutschland und weltweit eine große Aufmerksamkeit, die sich vor allem am Papst und an der „Zentrale” in Rom entzündet.
Eine Papstwahl ist immer ein Ereignis, das dieses Mal sicher durch den Rücktritt, aber auch zum Beispiel durch Vatileaks noch eine eigene Dynamik bekommt. Alle spüren, wie notwendig eine Reform der römischen Kurie ist. Die Spannung ist dieses Mal sehr groß, wie diese Reform angegangen wird, welche Reichweite sie haben wird und wer sie initiiert. Was sich mit dem Rücktritt, der Neuwahl, der Reform, den dann zwei Päpsten (emiritiert und amtierend) und dem weißen Rauch abspielt, ist ein Drama, durchaus in einem positiven Sinne. Es ist für sehr viele Menschen interessant, spannend und der Ausgang ist ungewiss. Die Menschen lieben das, und die Medien daher auch.
Lustig? Der Papst in den Social Media
Was allerdings nicht nur mir aufgefallen ist, ist der Unernst im Umgang mit der Nachricht vom Papstrückgang im Internet und den Social Media (vgl. die Artikel in SpOn, in der SZ von Johannes Boie, und in der TAZ). Egal, ob der Papst-Rücktritt jetzt das Ereignis mit der bisher größten Twitter-Resonanz der Geschichte ist oder nicht (die Messungen gehen da auseinander): der Kalauer, die lustig gemeinte schlaue Bemerkung, die ironische Respektlosigkeit, der Papst-Witz auf der letzten noch denkbaren Meta-Ebene des Phänomens – dieser Modus prägte im Wesentlichen die Resonanz im Internet.
Es wird daran deutlich, dass sich die Menschen nicht für den Papst, Benedikt selbst, das Verhältnis von Religion und Gesellschaft oder für die Bedeutung des Rücktrittes interessieren. Es wird nur deutlich, wie auch dieses Thema ganz aus der Ich-Perspektive dafür benutzt wird, in der eigenen Facebook-Timeline ein paar „Likes” einzusammeln. Natürlich gibt es unglaublich viel Qualität auch zu diesem Thema im Netz. Aber mir ist aus diesem Anlass aufgefallen, wie weit doch der Mainstream der Kommunikation in Twitter und Facebook von der Qualität eines öffentlichen Diskurses entfernt ist.
Führt der Rücktritt zu einem neuen medialen Umgang mit dem Papst?
Es wurde von Kirchenvertretern und Theologinnen und Theologen vielfach bemerkt, dass dieser Rücktritt das Papstamt verändert (vgl. das Dossier beim MFThK). Das ist ohne Frage richtig. Manche halten das für gut, andere für schlecht – je nach Standpunkt. Es überwiegt in der Berichterstattung eher der Respekt für den Schritt, der als Respekt vor Benedikt XVI. zum Ausdruck gebracht wird – bei gleichzeitiger genereller Distanz zur Katholischen Kirche.
Inwieweit die Veränderung des Papstamtes den Medienumgang mit der Katholischen Kirche und dem Papst verändern wird, lässt sich kaum vorhersagen, nur vermuten. Der allgemeine Medienumgang mit der katholischen Kirche ist sowieso geprägt von einer kritischen Grundhaltung und der Papst wird ja bisher keinesfalls als unangreifbar behandelt oder medial mit Samthandschuhen angefasst. Diese Grundhaltung wird, so glaube ich, durch Benedikts Rücktritt weder verstärkt noch gemindert werden.
Allerdings – und das wird interessant zu beobachten sein – könnte sich der Umgang der kirchlichen und kirchennahen Medien mit dem Papst ändern. Wenn sich das Papstamt ändert, es sich als weniger mystisch und sakral begreift, wird die sachliche Auseinandersetzung mit den Aufgaben des Papstes hoffentlich leichter. Stark konservativ ausgerichtete kirchennahe Medien (gloria.tv oder kath.net) werden an ein solches Papstbild jedenfalls kaum Anschluss finden. Eine sachliche Berichterstattung und Kirchenkritik durch die kirchlichen Medien, ohne falschen Respekt vor der übermenschlichen Größe des Amtes, die an einer guten und gerechten Gestalt von Kirche interessiert ist – das würde ich mir von der christlichen Medienwelt weiterhin und verstärkt wünschen.
Dass der Papst ohne Weiteres zurücktreten kann, dies eine reale und ergreifbare Möglichkeit darstellt, wird von den Medien nicht vergessen und wird bei entsprechendem Anlass sicherlich hervorgeholt werden. Einen neuen und andersartigen Kampagnen-Journalismus gegen den Papst oder die Katholische Kirche wird der Rücktritt und die Veränderung des Papstamtes aber kaum befördern.
Quellen/Hinweise
Als Quelle habe ich vor allem das „Altpapier“ vom 13.2.2013 und vom 12.2.2013 benutzt. Der Text ist veranlasst worden durch eine Anfrage der Pressestelle der Universität Münster, die dafür auch einige Fragen formuliert hat, an denen ich mich orientiert habe. Die daraus entstandene Pressemeldung vom 12.3.2013 umfasst zwei Absätze. Hier in diesem Posting sind die dort aufgeführten Zitate in ihrem ursprünglichen Kontext nachzulesen.